IOB
   Interessengemeinschaft der in der Zone enteigneten Betriebe e.V.

 
 

Rundschreiben vom 27. September 2007

Sehr geehrte Damen und Herren,

turnusmäßig – infolge Urlaubs leicht verspätet – berichte ich wie folgt:

1. Fristen für Anträge nach dem Rehabilitierungsgesetzen (VwRehaG, StrRehaG und BerRehaG)
Nach der bisherigen Rechtslage wäre die Frist für Anträge nach den Rehabilitierungsgesetzen am 31. Dezember 2007 abgelaufen. Der Bundestag hat jedoch am 13. Juni 2007 entschieden, daß Anträge nach den Rehabilitierungsgesetzen noch bis zum 31. Dezember 2011 gestellt werden können.

2. strafrechtliche Rehabilitierung
Die Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2011 ist für viele von uns deshalb wichtig, weil ein Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung in Be­tracht kommt. Würde dem Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung statt­gegeben, ergäbe sich aus dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz eine Rechtsfolgenverweisung auf das VermG mit der Folge, daß Restitutions- bzw. Erlösauskehransprüche geltend gemacht werden könnten.

Rechtsanwalt Dr. Wasmuth vertritt nach seinem am 19. Mai 2006 vor der IOB gehaltenen Vortrag die Auffassung, daß den Opfern der Industrieenteignungen zwischen 1945 und 1949 eine strafrechtliche Rehabilitierung nicht versagt werden kann. Dieserhalb gibt es eine Handvoll Prozesse, in deren Rahmen die strafrechtliche Rehabilitierung erreicht werden soll. Diese Prozesse sind bisher nicht entschieden. Sollten sie positiv entschieden werden, wäre das Anlaß, Anträge auf strafrechtliche Rehabilitierung zu stellen. Wird allerdings vor den in den Prozessen zu erwartenden Entscheidungen der Antrag gestellt, laufen die Antragsteller Gefahr, mit ihrem Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung bei den Landgerichten zu scheitern. Aus diesem Grunde ist die Verlängerung der Antragsfrist sehr begrüßenswert, weil zunächst die von Herrn Dr. Wasmuth eingeleiteten Prozesse abgewartet werden können.

Herr Dr. Wasmuth hat mich noch einmal gebeten, in meinem Rundschreiben dafür zu werben, daß in geeigneten Fällen entsprechende Pilotprozesse über ihn eingeleitet werden. Dieser Bitte komme ich gerne nach. Soweit Sie einen besonders exemplarischen Fall haben, in dem eine strafrechtliche Rehabilitierung sehr in Betracht kommt (Begründung der Enteignung in Industrie und Gewerbe mit angeblichem Kriegsverbrechertum – wie Leitung eines Rüstungsbetriebes, Angehörigkeit zur wirtschaftlich führenden Schicht der „Kriegstreiber“ und „Imperialisten“), setzen Sie sich bitte mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Wasmuth in Verbindung (Dr. Johannes Wasmuth, Kobell­straße 11, 80336 München, Tel. 089 / 381 892 36).

Wegen der Aussichten, über die strafrechtliche Rehabilitierung eine Restitution oder Erlösauskehr zu erhalten, hat es allerdings vor einigen Wochen einen Rückschlag gegeben. Am 22. August 2007 wurde vor dem BVerwG eine Sache verhandelt und entschieden, in der es um eine strafrechtliche Rehabilitierung ging. Das Opfer der Enteignung war von sowjetischen Truppen in die Ukraine verschleppt worden und dort zu 25 Jahren Zwangsarbeit mit Einziehung des gesamten Vermögens verurteilt worden. Das BVerwG hat sich in der Entscheidung vom 22. August 2007 auf den Standpunkt gestellt, daß die vorliegend von der Ukraine ausgesprochene strafrechtliche Rehabilitierung keine Rechtswirkungen i.S. einer Restitution entfalten könne. Denn die Verurteilung zur Vermögenseinziehung habe sich nicht auf das in Deutschland belegene Vermögen erstreckt.

In der entschiedenen Sache handelte es sich um einen Einzelfall. Andererseits: Aus der am 22. August 2007 getroffenen Entscheidung – die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor – könnte der Schluß gezogen werden, daß der nunmehr ausschließlich zuständige 8. Senat des BVerwG die Wirkungen strafrechtlicher Rehabilitierungen einzuschränken sucht.

3. Änderung des AusglLeistG - Unwürdigkeitsklausel
Am 21. Juni 2007 habe ich an der Sitzung des Beirates beim BADV teilge­nommen.
Auf der Beiratssitzung wurden die Urteile des BVerwG vom 28. Februar 2007 sowie die weiterhin zur Frage der Unwürdigkeit ergangenen Urteile heruntergespielt. Ich habe auf der Sitzung Herrn Dr. Kittke (Präsident des BADV) und Ministerialrat Dr. Rodenbach (Dienstvorgesetzter von Herrn Dr. Kittke im Bundesfinanzministerium) gefragt, ob sie denn beabsichtigten, die Vorgaben der Entscheidungen des BVerwG vom 28. Februar 2007 umzu­setzen. Darauf wurde von Herrn Dr. Rodenbach ausweichend geantwortet. Die Entscheidungen vom 28. Februar 2007 müßten zunächst ausgewertet werden. Es käme in Betracht, sich für eine gesetzliche Änderung und Ver­schärfung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG einzusetzen.

Sie werden sich vorstellen können, daß mich das in Alarmbereitschaft ver­setzte. Ich habe daraufhin einige Abgeordnete kontaktiert, die mir zusagten, mich unverzüglich über den Entwurf einer etwaigen Änderung des § 1 As. 4 AusglLeistG zu informieren und dazu beizutragen, daß es zu keiner Verschärfung der „Unwürdigkeitsklausel“ kommt. Daneben habe ich Herrn RA Wendenburg, den Vorsitzenden der AfA, veranlaßt, das als

- Anlage 1 -

beigefügte Schreiben an das BMJ zu schicken. Dem Schreiben war ein Exemplar meines Buches „Unwürdigkeit im Recht der offenen Vermögens­fragen“ beigefügt. Die Einschaltung des BMJ erschien tunlich, nachdem auf der Beiratssitzung am 21. Juni 2007 von den Herren Dr. Kittke und Dr. Rodenbach geäußert worden war, daß eine entsprechende Gesetzesänderung, wenn auch vom BMF initiiert, vom BMJ eingebracht würde. Das BMJ hat Herrn Wendenburg am 21. August 2007 durch das als

- Anlage 2 -

beigefügte Schreiben geantwortet. Jedenfalls gegenwärtig kann danach Ent­warnung gegeben werden.

Unbeschadet dessen ist eine Änderung des AusglLeistG in Vorbereitung wegen anderer Gegenstände. Dazu gehört die Umsetzung des Urteils vom 25. Januar 2007 des Europäischen Gerichtshofes (IOB- Rundschreiben vom 15. Juni 2008, Ziff. 5 e), ferner eine Abmilderung der Bestimmung, wonach bei begünstigtem Flächenerwerb eine 20-jährige Haltefrist gilt, innerhalb derer das begünstigt erworbene Agrarland nicht weiterveräußert werden darf. Laut Herrn Dr. Rodenbach soll es wegen entsprechender Änderungen eine Anhörung geben, zu der auch die interessierten Verbände (AfA und IOB) eine Einladung erhalten sollen.

4. Verschiedenes
a) Zum Landverkauf durch die BVVG und zur Kritik des verbilligten Verkaufs an ehemalige LPGen übergebe ich als

- Anlage 3 -

einen Artikel aus dem „Tagesspiegel“ vom 16./17. Mai 2007.

b) Einen Artikel aus der FAZ vom 21. März 2007 über die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland füge ich als

- Anlage 4 -

bei. Daß die Ursache der schlechten Entwicklung in Ostdeutschland u.a. darauf zurückzuführen ist, daß man die ehemaligen Unternehmer in ihren früheren Betrieben nicht mehr hat zum Zuge kommen lassen, verschweigt der Artikel.

c) Weist ein Ausgleichsleistungsanspruch eine nach Auffassung des Antrag­stellers zu niedrige Summe aus, kann eine Klage zum Verwaltungsgericht mit dem Ziel in Betracht kommen, eine höhere Ausgleichsleistung zu erhalten.

Eine derartige Klage würde allerdings nach dem Wortlaut des § 1 AusglLeistG dazu führen, daß der zunächst ergangene Ausgleichsleistungs­bescheid nicht rechtsbeständig wird und dadurch auch der bisher zu­erkannte, als zu niedrig aestimierte Betrag nicht zur Auszahlung käme. Unser Mitglied Dr. Peter Blanckertz hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß, wie in seinem Falle geschehen, der festgesetzte Betrag angenommen und dann nur wegen des Mehrbetrages prozessiert wird.

Es wird hier sicherlich auf die Antragstellung beim Gericht ankommen, ob eine sofortige Auszahlung des (zunächst) zu niedrig angesetzten Ausgleichs­leistungsbetrages erreicht und zugleich die Aussicht erhalten werden kann, gerichtlich den Mehrbetrag durchzusetzen.

d) Einen Leserbrief eines der Vorsitzenden der Opferverbände für persönliches DDR-Unrecht, Gerhard Finn, in der FAZ vom 16. Juli 2007 füge ich als

- Anlage 5 -

bei. Die Ausführungen von Herrn Finn kann man auch auf die Opfer der SBZ/DDR anwenden, die nicht an Leib und Leben, wohl aber an Vermögen geschädigt worden sind.

e) Von Peter Freiherr von Oelsen-Vietnitz habe ich die als

- Anlage 6 -

beigefügte Mitteilung erhalten. Danach will das Europäische Parlament einen Auftrag für eine Studie zum Gegenstand „Rückgabe von Privateigentum in Ost- und Mitteleuropa“ vergeben. Ich gehe davon aus, daß die Studie auch die Restitutionen von Vermögen auf dem Gebiet der ehe­maligen DDR einschließt.

f) Wußten Sie, daß ca. 20.000 (in Worten: Zwanzigtausend) Bescheide vom LARoV Halle erlassen worden sind, wonach die antragstellenden Aktionäre der IG Farben AG keine Ausgleichsleistungen erhielten? Nach meinem Buch „Unwürdigkeit im Recht der offenen Vermögensfragen“ und der Entscheidung des BVerwG vom 28. Februar 2006 in der Sache 3 C 13.06 sind diese Bescheide allesamt rechtswidrig, weil den Aktionären die Verwicklung der IG Farben AG in NS-Unrecht nicht angelastet werden kann. Die Entscheidung des BVerwG vom 28. Februar 2006 nutzt den Aktionären allerdings nichts mehr, weil die vom LARoV Halle erlassenen Bescheide allesamt rechtsbeständig und nicht mehr anfechtbar sind.

Ich glaube, daß das nicht passiert wäre, wenn die Aktionäre der IG Farben AG zur IOB gehört oder zumindest zur IOB Kontakt gehalten hätten!

g) Zitat:
(Es ist) „die Bodenreform im Zuge des Einigungsvertrages als bestands­kräftig verankert worden. Die Bodenreform steht auch jetzt nicht zur Debatte. Wer etwas ändern will, rüttelt am Einigungsvertrag.“ (Angela Merkel in der „Berliner Morgenpost“ vom 10. Januar 1997)

5. Diesem Rundschreiben ist ein Exemplar der Broschüre „Wahrheit und Recht“ von Dr. Udo Madaus beigefügt. Dr. Udo Madaus hat der IOB freundlicherweise für jedes Mitglied ein Exemplar zur Verfügung gestellt, wofür wir ihm herzlich danken.


Für heute darf ich schließen und zeichne mit freundlichen Grüßen

Dr. Rosenberger
Vorsitzender

 
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